Archiv für April, 2015

16.04.15

Gebrauchtwagenkauf vom Händler: Sofortiger Rücktritt bei fehlender Verkehrssicherheit eines als  „TÜV neu“ verkauften Fahrzeugs

- Urteile -

Der Bundesgerichtshof hat sich heute in einer Entscheidung zum Gebrauchtwagenkauf mit der Frage beschäftigt, unter welchen Voraussetzungen dem Käufer eine Nacherfüllung durch den Verkäufer gemäß § 440 Satz 1 BGB* nicht zugemutet werden kann und er deshalb zum sofortigen Rücktritt berechtigt ist. 

Der Sachverhalt: 

Die Klägerin hatte am 3. August 2012 von dem beklagten Autohändler einen 13 Jahre alten Pkw Opel Zafira mit einer Laufleistung von 144.000 km zum Preis von 5.000 € gekauft. Entsprechend der im Kaufvertrag getroffenen Vereinbarung („HU neu“) war am Tag des Fahrzeugkaufs die Hauptuntersuchung (TÜV) durchgeführt und das Fahrzeug mit einer TÜV-Plakette versehen worden. Am Tag nach dem Kauf versagte der Motor mehrfach. Die Klägerin ließ das Fahrzeug untersuchen und erklärte mit Schreiben vom 30. August 2012 die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt, unter anderem wegen der bei der Untersuchung festgestellten erheblichen und die Verkehrssicherheit beeinträchtigenden Korrosion an den Bremsleitungen. Der Beklagte bestritt eine arglistige Täuschung und wandte ein, dass die Klägerin ihm keine Gelegenheit zur Nacherfüllung gegeben habe und der Rücktritt deshalb unwirksam sei. 

Die auf Rückzahlung des Kaufpreises gerichtete Klage der Käuferin hatte in allen Instanzen Erfolg. Der unter anderem für das Kaufrecht zuständige VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat allerdings hinreichende Feststellungen des Berufungsgerichts zu einer arglistigen Täuschung des Beklagten vermisst. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erwies sich jedoch aus anderen Gründen als richtig. Denn der Anspruch der Klägerin auf Rückzahlung des Kaufpreises ergibt sich jedenfalls aus dem von ihr hilfsweise erklärten Rücktritt. Das gekaufte Fahrzeug war mangelhaft, weil es sich entgegen der vereinbarten Beschaffenheit aufgrund der massiven, ohne weiteres erkennbaren Korrosion nicht in einem Zustand befand, der die Erteilung einer TÜV-Plakette am Tag des Kaufvertrags rechtfertigte. Die Klägerin war deshalb auch ohne vorherige Fristsetzung zum Rücktritt berechtigt, weil eine Nacherfüllung für sie nach § 440 Satz 1 Alt. 3 BGB* unzumutbar war. Angesichts der beschriebenen Umstände hat die Klägerin nachvollziehbar jedes Vertrauen in die Zuverlässigkeit und Fachkompetenz des beklagten Gebrauchtwagenhändlers verloren und musste sich nicht auf eine Nacherfüllung durch ihn einlassen. 

* § 440 BGB Besondere Bestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz 

Außer in den Fällen des § 281 Abs. 2 und des § 323 Abs. 2 bedarf es der Fristsetzung auch dann nicht, wenn der Verkäufer beide Arten der Nacherfüllung gemäß § 439 Abs. 3 verweigert oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen oder ihm unzumutbar ist. (…) 

Urteil vom 15. April 2015 – VIII ZR 80/14 

LG Oldenburg – Urteil vom 30. August 2013 – 3 O 3170/12
OLG Oldenburg – Urteil vom 28. Februar 2014 – 11 U 86/13 

Karlsruhe, den 15. April 2015 

Pressestelle des Bundesgerichtshofs

10.04.15

Oberlandesgericht Hamm: Erbverzicht mit Folgen

- Beschlüsse -

Ein Erbverzicht kann auch für die Kinder des Verzichtenden Folgen haben:

Wer auf einen ihm testamentarisch zugewandten Erbteil verzichtet, schließt auch seine Kinder vom Erbteil aus, wenn die Verzichtsvereinbarung nichts anderes bestimmt.Verzichtet ein Miterbe auf seine verbindlich gewordene Erbeinsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, kann der überlebende Ehegatte über den Erbteil des Verzichtenden nicht anderweitig, z. B. zugunsten eines Kindes des Verzichtenden verfügen.

Das hat der 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 28.01.2015 in einer Nachlasssache entschieden und damit den erstinstanzlichen Beschluss des Amtsgerichts Dortmund bestätigt.

Die in Dortmund wohnenden Eltern des Erstbeteiligten aus Hamm errichteten 1980 ein gemeinschaftliches Testament mit Pflichtteilsstrafklausel, in dem sie den Überlebenden zum befreiten Vorerben und zwei ihrer Kinder, den 1963 geborenen Erstbeteiligten und seine 1957 geborene Schwester, zu gleichen Teilen als Nacherben einsetzten. Nach dem Tode des 78jährigen Vaters im Jahre 1993 schlossen die überlebende Mutter mit dem Erstbeteiligten und der bedachten Schwester im Jahre 2001 einen notariellen Vertrag, in dem die Schwester ihr Nacherbenrecht auf den Erstbeteiligten übertrug und erklärte, auch auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht zu verzichten. Hintergrund waren Zuwendungen von 180.000 DM, die die Schwester bereits von der Mutter erhalten hatte bzw. noch erhalten sollte. Die Schwester verstarb im Jahre 2002, sie hinterließ zwei Kinder, u.a. die Drittbeteiligte aus Duisburg als ihre Tochter. In einem handschriftlichen Testament aus de m Jahre 2013 bestimmte die Mutter die Drittbeteiligte und einen Zweitbeteiligten aus Düsseldorf zu Erben. Ende des Jahre 2013 verstarb die Mutter im Alter von 82 Jahren. In der Folgezeit haben die Beteiligten um die ihr zustehenden Erbrechte nach dem Tode der Mutter als Erblasserin gestritten, wobei der Erstbeteiligte der Ansicht war, Alleinerbe zu sein, während der Zweit- und die Drittbeteiligte meinten, dass sie die Erblasserin als Miterben beerbt hätten.

Nach der vom Amtsgericht Dortmund getroffenen und vom 15. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm bestätigten Entscheidung ist der Erstbeteiligte der Alleinerbe seiner Mutter geworden.

Der Erstbeteiligte und seine im Jahre 2002 verstorbene Schwester seien durch das im Jahre 1980 errichtete gemeinschaftliche Testament der Eltern zu Erben nach dem Tode des letzten Elternteils eingesetzt worden. Durch den notariellen Vertrag aus dem Jahre 2001 habe die Schwester auf ihr gesetzliches Erb- und Pflichtteilsrecht und auch auf das ihr durch das gemeinschaftliche Testament zugewandte Erbrecht verzichtet. Sie sei deswegen als Erbin weggefallen.

Ihre Kinder seien nicht als Ersatzerben berufen. Der Zuwendungsverzicht der Schwester erstrecke sich auch auf ihre Abkömmlinge. Die nach dem Gesetz mögliche andere Bestimmung sei im Verzichtsvertrag nicht getroffen worden. Damit sei der Erbteil der Schwester beim Tode der Erblasserin dem Erstbeteiligten angewachsen. Insoweit enthalte auch das gemeinschaftliche Testament keine anderweitige Bestimmung.

Die Erblasserin sei nach dem Tode ihres Ehemanns gehindert gewesen, ihre Enkelin und den Zweitbeteiligten als Erben einzusetzen. Dem stehe das gemeinschaftliche Testament aus dem Jahre 1980 entgegen, das auch hinsichtlich der Alleinerbenstellung des Erstbeteiligten bindend sei. Seine Bindungswirkung erfasse den dem Erstbeteiligten nach dem Wegfall seiner Schwester zugewachsenen Erbteil. Das ergebe die Auslegung des Testaments. Der vorliegende Fall sei mit dem Fall vergleichbar, bei dem ein Pflichtteilsberechtigter aufgrund einer Pflichtteilsstrafklausel als Schlusserbe ausscheide, weil er zu Lebzeiten des überlebenden Ehegatten seinen Pflichtteil verlange. Auch in diesem Fall wachse sein Erbteil den übrigen testamentarisch bedachten Erben zu. Zwar sei die Schwester nicht aufgrund eines Pflichtteilsverlangens weggefallen, sie habe aber – vergleichbar mit einem solchen Verlangen – ihren Erbverzicht erklärt, weil sie zu Lebzeiten Zuwendungen erhalten habe.

Rechtskräftiger Beschluss des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom28.01.2015 (15 W 503/14)

Christian Nubbemeyer, Pressedezernent

09.04.15

Oberlandesgericht Hamm: Rechtsmissbräuchlich herbeigeführte Verjährung verhindert nicht die Verfolgung einer Ordnungswidrigkeit

- Beschlüsse -

den Eintritt der Verfolgungsverjährung berufen, wenn sie die ordnungsgemäße Zustellung des Bußgeldbescheides in nicht verjährter Zeit rechtsmissbräuchlich verhindert hat. Das hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 27.01.2015 beschlossen und damit die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Gütersloh verworfen.

Die heute 40 Jahre alte Betroffene aus Berlin befuhr mit ihrem Pkw BMW im August 2013 die Münsterlandstraße in Gütersloh. Die dort auf 70 km/h begrenzte Höchstgeschwindigkeit überschritt sie um 42 km/h. Wegen dieser Ordnungswidrigkeit übersandte die Bußgeldbehörde der Betroffenen einen Anhörungsbogen, den die Behörde an die Anschrift der Eltern der Betroffenen in Harsewinkel übermittelte. Dort war die Betroffene seinerzeit noch gemeldet, obwohl sie bereits seit 2010 in Berlin wohnte. Aufgrund des Anhörungsschreibens meldete sich im September 2013 ein Verteidiger der Betroffenen zu den Akten. Im Oktober 2013 erließ die Bußgeldbehörde einen Bußgeldbescheid, der der Betroffenen unter der Anschrift ihrer Eltern in Harsewinkel im Wege der Ersatzzustellung zugestellt wurde. Eine Abschrift des Bußgeldbescheides erhielt ihr Verteidiger, der noch im Oktober 2013 Einspruch einlegte. Im Verlauf des weiteren Verfahrens wandte die Betroffene Verfolgungsverjährung ein, weil ihr der Bußgeldbescheid nicht vor Ablauf der nach der Anhörung beginnenden dreimonatigen Verjährungsfrist ordnungsgemäß zugestellt worden sei.

Das Amtsgericht verurteilte die Betroffene – unter Berücksichtigung einschlägiger Vorbelastungen – wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 280 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot.

Die von der Betroffenen unter Hinweis auf die Verjährung gegen das Urteil eingelegte Rechtsbeschwerde ist erfolglos geblieben. Der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm hat die Verurteilung der Betroffenen bestätigt.

Verfolgungsverjährung sei – so der Senat – nicht eingetreten. Zwar sei die Ersatzzustellung des Bußgeldbescheides unter der Anschrift der Eltern der Betroffenen unwirksam gewesen, weil die Ersatzzustellung voraussetze, dass der Betroffene an dem Ort der Zustellung tatsächlich wohne. Auf die fehlerhafte Ersatzzustellung und die deswegen abgelaufene dreimonatige Verjährungsfrist könne sich die Betroffene aber nicht berufen, weil sie sich rechtsmissbräuchlich verhalten habe.

Zwar habe sie der Bußgeldbehörde gegenüber im vorliegenden Verfahren nicht aktiv den Anschein erweckt, dass sie an ihrer Meldeanschrift im Harsewinkel tatsächlich noch wohne. Die anwaltlich beratene Betroffene habe es aber im Hinblick auf die von ihr als möglicherweise fehlerhaft erkannte Ersatzzustellung bewusst unterlassen, der Bußgeldbehörde ihren tatsächlichen Wohnsitz zu offenbaren. Sie habe auf diese Weise eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheides verhindern wollen, damit Verfolgungsverjährung eintrete könne.

Bei der Bewertung des Verhaltens der Betroffenen sei zu berücksichtigen, dass sie sich bereits durch die unterlassene Ummeldung ordnungswidrig verhalten habe. Zudem solle die vom Gesetzgeber mit 3 Monaten bemessene Verjährungsfrist zwischen der Anhörung und der Zustellung des Bußgeldbescheides eine Bußgeldbehörde dazu anhalten, einen Bußgeldbescheid im laufenden Verfahren zügig zuzustellen, nachdem die Behörde einen Betroffenen angehört habe. Diesen gesetzgeberischen Zweck habe die Bußgeldbehörde im vorliegenden Fall beachtet. Das von ihr an die Anschrift in Harsewinkel versandte Anhörungsschreiben habe die Betroffene erhalten. Auch den Bußgeldbescheid habe die Bußgeldbehörde rechtzeitig zustellen lassen. Anhaltspunkte für eine eventuell unwirksame Ersatzzustellung des Bußgeldbescheides unter der Anschrift in Harsewinkel habe die Bußgeldbehörde dabei nicht gehabt. Be i dieser Sachlage widerspreche es der Intention des Gesetzgebers, die Betroffene in den Genuss der Verfolgungsverjährung kommen zu lassen, nachdem sie zuvor in ordnungswidriger Weise gegen Meldegesetze verstoßen habe.

Die weitere Überprüfung des angefochtenen Urteils ergebe keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen. Die Feststellungen des Amtsgerichts trügen die Verurteilung der Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und auch die vom Amtsgericht verhängte Sanktion.

Rechtskräftiger Beschluss des 3. Senats für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 27.01.2015 (3 RBs 5/15)

Christian Nubbemeyer, Pressedezernent


Sie browsen
das Archiv für April 2015.
Rechtsschutzübersicht
berechnen Sie Ihre Rechtsschutzbeiträge direkt online: Onlineberechnung

Kategorien
spezielle Themen
gewerblicher Rechtsschutz
Rechtsschutz für Firmen und Selbständige
Rechtsschutz für Ärzte und Heilberufe
Rechtsschutz für Verkehr
Rechtsschutz für Vermieter
Rechtsschutz für Landwirtschaft und Verkehr
Downloads
gewerblicher Rechtsschutz
Rechtsschutz für Firmen und Selbständige
Rechtsschutz für Ärzte und Heilberufe
Rechtsschutz für Verkehr
Rechtsschutz für Vermieter
Rechtsschutz für Landwirtschaft und Verkehr
privater Rechtsschutz
Rechtsschutz für Singles
Rechtsschutz für Familien
Rechtsschutz für Senioren
Rechtsschutz für Verkehr
Rechtsschutz für Vermieter
Downloads
privater Rechtsschutz
Rechtsschutz für Singles
Rechtsschutz für Familien
Rechtsschutz für Senioren
Rechtsschutz für Verkehr
Rechtsschutz für Vermieter
externe Links