Die in Art. 4 Grundgesetz garantierte Glaubens- und Gewissensfreiheit erlaubt jedenfalls dann keine Sachbeschädigung, wenn eine Glaubens- und Gewissensentscheidung auch straffrei umgesetzt werden kann. Das hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm mit Beschluss vom 26.02.2015 entschieden und damit das Berufungsurteil des Landgerichts Essen und das erstinstanzliche Urteil des Amtsgerichts Essen bestätigt.
Die in Marokko geborene, 39 Jahre alte Angeklagte aus Niedersachsen suchte im Juni 2013 die Bibliothek der Universität Duisburg-Essen auf, um dort an ihrer Promotion zu arbeiten. In der Bibliothek waren mehrere von Studenten hergestellte Collagen ausgestellt. Eine Collage bestand in erster Linie aus Bildern und Texten des Comicromans „Exit wounds“ der israelischen Autorin Rutu Modan. Auf der Collage befand sich unter der Überschrift „rutu modan exit Wounds“ der Schriftzug „Terror as usual“. Die Collage zeigte unter anderem eine Straßenszene, bei der im Vordergrund eine Gruppe von Personen stand. Zwei hielten Schilder mit hebräischen Schriftzeichen. Auf einem weiteren Schild war „Stop the occupation“ zu lesen. Ein 4. Schild mit arabischen Schriftzeichen wurde in einen Sack gesteckt. Die Angeklagte meinte, dieses Schild zeige nicht – wie bei flüchtigem Lesen denkbar – die Worte „Beendet die Besatzung“, sondern trage – bei der Veränderung nur ei nes Buchstabens – den Text „Nieder mit Allah“. Hierdurch fühlte sich die Angeklagte in ihren religiösen Gefühlen verletzt. Sie verlangte eine Entfernung dieser Collage, die ein Bibliotheksmitarbeiter ablehnte. Dabei bot er der Angeklagten an, die beanstandete Stelle mit einem Stück Papier zu überkleben. Das Überkleben wartete die Angeklagte jedoch nicht ab. Sie ergriff eine Schere und schnitt die von ihr beanstandete Stelle aus der Collage heraus. Für diese Sachbeschädigung verurteilte das Amtsgericht Essen die Angeklagte wegen gemeinschaftlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 400 Euro. Die Berufung der Angeklagten gegen dieses Urteil verwarf das Landgericht Essen als unbegründet.
Der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat die von der Angeklagten gegen die Verurteilung eingelegte Revision ebenfalls als unbegründet verworfen. Die Collage sei Bestandteil einer öffentlichen Sammlung im Sinne von § 304 Strafgesetzbuch, so dass ihre Beschädigung als gemeinschädliche Sachbeschädigung zu bestrafen sei. Aus dem Grundrecht auf Glaubens- und Gewissensfreiheit könne die Angeklagte weder einen Rechtfertigungsgrund -noch einen Entschuldigungsgrund für ihr Handeln ableiten. Handelte jemand aufgrund einer Glaubens- und Gewissensentscheidung in strafbewährter Weise, so könne er nicht straffrei bleiben, wenn er die Möglichkeit gehabt habe, seine Glaubens- und Gewissensentscheidung straffrei umzusetzen. Diese Möglichkeit habe die Angeklagte gehabt. Ihr sei von dem angesprochenen Bibliotheksmitarbeiter angeboten worden, die beanstandete Stelle der Collage zu überkleben. Damit habe die Angeklagte i hr Ziel, den anstößigen Teil der Collage unkenntlich zu machen, auch in strafloser Weise erreichen können.
Rechtskräftiger Beschluss des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom26.02.2015 (5 RVs 7/15)
Christian Nubbemeyer, Pressedezernent